Umut Eskiocak, 29 Jahre, ist Serviceleiter im Europa-Park Rust und hat die Zeit in der Pandemie dafür genutzt, ein eigenes Produkt zu entwickeln. Umut kommt aus Neuwied, ist aber aus beruflichen Gründen in Rust ansässig.

Du kommst klassisch aus dem Gastgewerbe, warum hast du dich für den Beruf entschieden?

Klingt vielleicht etwas fies, aber ich habe mir immer einen Beruf gewünscht, bei dem ich nicht auf die Uhr schauen muss, im Gegenteil, bei dem die Zeit sogar mein Gegner ist. Mein Vater kommt aus der Immobilienbranche und ich habe mit 15 Jahren ein Praktikum in einer örtlichen Immobilienverwaltung gemacht. Dieses Praktikum endete leider nicht so gut, da ich während der Arbeit eingeschlafen bin. Das bedeutet nicht, dass der Beruf langweilig war, jedoch passte er nicht zu mir, da ich mich sehr gerne bewege, aktiv bin und gerne mit Menschen arbeite. Irgendwann absolvierte ich ein Praktikum im Hotel und es war quasi Liebe auf den ersten Blick. Seitdem habe ich eine Leidenschaft für die Gastronomie entwickelt. Die Vielseitigkeit, der Gästekontakt und die Zusammenarbeit mit den Kollegen ist für mich in der Gastronomie ein absolutes Unikat.

Dein bisheriger Werdegang?

Im Sommer 2012 beendete ich mein Fachabitur inklusive der Ausbildung zum Hauswirtschafter und begann die Ausbildung zum Hotelfachmann im Hotel Tannenhof im ländlichen Großmaischeid. Ein kleiner, feiner Betrieb, der aber sehr viel Wert auf Qualität und Klasse legte. Von vergoldetem Buffetmobiliar bis hin zum Champagnerausschank, konnte ich einiges an Know-how mitnehmen. Nachdem ich meine Ausbildung beendete, nahm ich mir erstmal ein halbes Jahr Zeit, um mich querbeet im Bereich der Gastronomie weiterzubilden. Mich zog es an die Barschule München, ich absolvierte ein Praktikum im Vertrieb, startete Kurse im Bereich Wein, Zigarren, Kaffee und vieles mehr. Parallel arbeitete ich als Teilzeitkraft im Sport- & Seminarhotel Glockenspitze. Auch das Hotel Glockenspitze wurde ganz schnell zur Herzensangelegenheit und nach einem knappen halben Jahr arbeitete ich Vollzeit als Serviceleiter in diesem Hotel. 2019 ging ich ganz nach dem Motto ,,Aufhören, wenn‘s am schönsten ist und ich begann einen neuen Schritt als Serviceleiter im Europa Park Hotel Colosseo in Rust. Auch dieser Betrieb spiegelt in jeder Form wider, wie facettenreich die Gastronomie ist. Vom Flammlachs-Stand bis hin zum Ammolite Sternerestaurant, bietet der Europa-Park kulinarisch eine Reihe an außergewöhnlichen Highlights.

Du bist nicht nur Serviceleiter im Europa-Park , sondern hast im letzten Jahr auch den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt?

Richtig, im Oktober letzten Jahres habe ich mir einen kleinen Traum verwirklicht. Bereits im ersten Lockdown war es mir wichtig, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. Es ging alles wirklich sehr schnell, viele haben mich nicht nur für verrückt, sondern auch für naiv gehalten, da ich es ganz schnell angegangen bin. Jedoch bin ich der Meinung, dass man aus jedem Tag das Beste machen sollte, ein Tag hat 24 Stunden, also warum Zeit vergeuden?

Womit und in welchem Bereich hast du dich selbstständig gemacht – wie heißt Dein Unternehmen?

Gerne erzähle ich, wie die Idee entstanden ist: Nichts ist angenehmer, als eine Autofahrt bei Nacht im introvertierten Zustand. Mit Blick auf die Straße und in Gedanken bei der Stadt Neuwied kam ich im Oktober 2020 auf die Idee des Pegelturm Gins. Basierend darauf, dass uns die aktuelle Situation der Corona-Pandemie auf die Probe stellt, rief es ich meinen Helferinstinkt hervor. Es machte mich traurig, dass ein Gastronomiebetrieb nach dem anderen die Türen schließen musste. Und auch ein befreundetes Modegeschäft, sowie ein Kino sagten leider Adieu. Als Jugendlicher startete ich nach einem Bergunglück im türkischen Soma eine Spendenaktion für die Opfer und Verbliebenen. Als ich lediglich auf Skepsis, Ablehnung und sogar Diskriminierung gestoßen war, lies ich irgendwann all meinem Frust freien Lauf und beendete das Projekt.

Davon geprägt ließ ich meine Erinnerungen Revue passieren. Es sollte dieses Mal anders laufen. Es sollte den Leuten ein gutes Gefühl geben zu helfen und sie sollten dafür auch entlohnt werden und etwas Handfestes haben. Sie sollten Spenden, ohne es großartig gemerkt zu haben. Entsprechend habe ich den Pegelturm Gin auf den Markt gebracht, welcher pro verkaufte Flasche 1,00 Euro an den Schmetterlingspark Sayn und 1,00 Euro an das Kino Neuwied spendet. Das sind satte 2,00 Euro Spende pro verkaufte Flasche. Das fühlt sich richtig richtig gut an, muss ich sagen.

Nebenbei genießt der Verbraucher auch einen ganz edlen Tropfen, denn der Pegelturm Gin wird in Zusammenarbeit mit dem Obsthof Birkenbeil produziert. Ein 2-Mann Betrieb in der dritten Generation, ein wirklich fleißiges Ehepaar, welches Obst und Brände mit voller Leidenschaft produziert und brennt. Der Pegelturm Gin wird in der höchsten Qualitätsstufe, der London Dry Gin Qualität produziert und hat einen herben/würzigen Geschmack, welcher aus den Botanicals Kurkuma, Chili, Vanille, Piment, Rosa Pfeffer, Rosmarin, Wacholder, Grapefruit, Orange und Zitrone stammt.

Das Geheimnis der Flasche ist ein handgemaltes Innenetikett, welches die Stadtteile von Neuwied widerspiegelt. Pegelturm hat nichts mit dem Alkoholpegel zu tun, denn der Pegelturm von Neuwied gehört zusammen mit der Silhouette der Raiffeisenbrücke zu den Wahrzeichen der Stadt. Dieser dient der kontinuierlichen Messung des Rheinpegels. Mit den gewonnenen Daten werden Hochwasserpumpwerke automatisch gesteuert und verschiedene Einsatzleitstellen versorgt. Des Weiteren schmücken Robert Krups und die genannte Raiffeisenbrücke das Vorderetikett.

Was würdest du jemandem mit auf den Weg geben, der sich selbstständig machen möchte?

Grundsätzlich ist es immer wichtig einfach zu machen, so banal es klingt, aber viele junge Menschen machen sich einfach viel zu viele Gedanken was alles passieren kann, wenn das Ganze nicht funktioniert. Aber mit dem Beispiel des Pegelturm Gins, hatte ich das Bild vor Augen, das tatsächlich mein eigener Gin im Rewe Markt Regal steht und dieser Gedanke hat mich einfach nicht mehr losgelassen. Wie toll wäre es denn, wenn jemand die Flasche umdreht und er liest meinen Namen.

Dieses Ziel hatte ich vor Augen, es war wirklich ein Traum und ich muss ehrlich sagen, dass mir die Tränen kamen, als ich letztendlich tatsächlich meinen eigenen Gin das erste Mal im Regal gesehen habe. Und noch heute fahre ich zu jedem Kunden aus dem Einzelhandel persönlich, nur um zu sehen wie sich der Gin im Regal macht. Wie viele Selfies ich schon erhalten habe, einfach unfassbar schön. Des Weiteren habe ich meinen Gin als 1-Mann Unternehmen auf den Markt gebracht, aber ich merke einfach, wie hilfsbereit und kooperativ die Menschen gegenüber Einzelunternehmen sind. Ich habe von so vielen Seiten Hilfe und Unterstützung bekommen, das ist wirklich unfassbar und ich weiß wirklich nicht, wie ich da meine Dankbarkeit in Worte fassen soll. Also an alle Menschen die über diesen Schritt nachdenken: Denk nicht lange nach, Mach einfach!

Du hast an der DHA neben der Weiterbildung WSET Level 2 auch die Weiterbildung zum Assistant Sommelier inkl. WSET Level 3 Zertifikat gemacht – was hat dich dazu bewogen?

Richtig, das alles begann ebenfalls im ersten Lockdown. Im Europapark gehen die Weinpreise bei knapp 25,00 Euro los und enden beim Chateau Petrus mit knapp 4.500 Euro. Da reicht es nicht zu sagen, dass der Wein rot und trocken ist, da möchte der Gast zu Recht etwas mehr erfahren. Deshalb war es für mich der Anspruch an mich selber mein Know-how zu verbessern und zu vertiefen. Ich wollte dem Gast am Tisch Geschichten erzählen, ihn über den Abend begleiten und auf eine Reise durch die Weinwelt mitnehmen.

Warum hast du dich für eine Weiterbildung bei der Deutschen Hotelakademie entschieden? Was hat dir an der Deutschen Hotelakademie besonders gut gefallen?

Die Deutsche Hotelakademie hat mich vom Konzept her in jeder Form angesprochen. Mir ist es grundsätzlich immer sehr wichtig Ansprechpartner zu haben, die greifbar sind. Niemand hängt gerne in einer Warteschleife. Entsprechend habe ich damals die Akademie kontaktiert und es war damals Sophie Sanders, die ganz rasch geantwortet hat und mir alle notwendigen Informationen zukommen ließ. Auch da war ich wieder an dem Punkt, an dem ich gedacht habe, okay ich bin überzeugt, also warum länger warten?

Was bringt dir das Erlernte ganz konkret im Rahmen deiner Selbstständigkeit? Hilft dir das Studium für deinen jetzigen Beruf?

In der Selbstständigkeit weniger, mehr im Beruf als Serviceleiter. Was ganz wichtig ist, es gibt mir Sicherheit. Ich habe seit Beginn des Studiums einiges an Fachkenntnis dazu erlernen können. Mein Ziel ist tatsächlich auch der Sommelier an der DHA. Ich möchte dem Gast auf all seinen Fragen antworten können. In dem Studium befasst man sich mit Themen, auf die man sonst nicht aufmerksam geworden wäre. Als Beispiel kenne ich nun die wichtigsten Anbaugebiete in Argentinien, habe mir noch vor kurzem einen hochwertigen Malbec gekauft, auf diese Idee wäre ich vorher nie gekommen, oder ich hätte nie gedacht, dass es Riesling auch in Chile gibt. Man lernt quasi richtige Insidertipps kennen. Mein Traum ist es tatsächlich irgendwann eine eigene Weinkarte zu schreiben, bei der ich über jeden Wein eine Geschichte erzählen kann. Es ist sehr hilfreich, zeichnet dich als Gastgeber aus, der Gast am Tisch fühlt sich gut aufgehoben und merkt sich vielleicht auch deinen Namen.

Du hast dich selbstständig gemacht, bist Unternehmer. Was macht dir besonders viel Spaß?

Besonders Spaß macht es mir neue Leute kennenzulernen. Wie bereits erwähnt, ist die Hilfsbereitschaft an Einzelunternehmen unglaublich groß. Es gefällt mir auch sehr gut, dass ich bisher absolut kein Konkurrenzdenken bemerkt habe. Der Austausch untereinander bei den Herstellern ist unheimlich familiär. Ich habe mittlerweile sogar Gin-Hersteller, mit denen ich befreundet bin. Kunstwerkgin, Ohana Dry Gin, After2Gin und Ich haben eine eigene WhatsApp Gruppe, in der wir uns regelmäßig austauschen. Des Weiteren ist es auch sehr schön andere Branchen kennenzulernen, ich pflege guten Kontakt mit dem Kino Neuwied, dem Schmetterlingspark und einige tolle Unternehmer aus dem Einzelhandel, das macht richtig Spaß, es gibt keinen Tag, an dem ich nicht mit jemandem über Gin kommuniziere.